Das Projekt
Im Projekt untersuchen wir religiöse und nicht-religiöse Weltsichten von Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft sichern können und von Unterstützungsleistungen abhängig sind. Dabei wird eine international vergleichende Perspektive angelegt. Die Personengruppe, die für uns von Interesse ist, verfügt über geringe materielle Ressourcen und eingeschränkte Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeiten. Sie ist von sozialer Exklusion sowie Stigmatisierung bedroht und in besonderem Maße mit Erfahrungen von Unsicherheit konfrontiert. Zugleich ist sie auf gesellschaftliche Solidarität angewiesen. Ausgangspunkt für diesen Zuschnitt ist die Überlegung, dass in traditionalen Gesellschaften die Fürsorge für diese „Armen“ in der Verantwortung religiöser Einrichtungen lag. Mit zunehmender Modernisierung und gesellschaftlicher Differenzierung übernahm diese Funktion jedoch der Wohlfahrtsstaat. Dabei bildeten sich jeweils spezifische, national unterschiedliche Formen heraus. Eine wichtige Rolle bei dieser Diversifikation spielte die konfessionelle Tradition des jeweiligen Landes sowie die in ihr entwickelte Soziallehre.
Hier finden Sie unseren „Information Sheet“ zum Projekt: Information Sheet
Team
Forschungsansatz
Ausgangspunkt bei der Konstruktion unseres vergleichenden Forschungsdesigns ist die Überlegung, dass Weltsichten durch die jeweilige soziale Lage bestimmt sind, in der sich die Person befindet. Die anvisierte Zielgruppe von Arbeitslosen und Unterstützungsempfänger_innen erscheint uns besonders interessant, da ihre Lebensbedingungen durch vergleichsweise geringe materielle und symbolische Ressourcen, durch ein hohes Risiko, Exklusion, soziale Isolation und Stigmatisierung zu erfahren, sowie durch geringere Chancen auf Partizipation und auf Durchsetzung der eigenen Interessen bestimmt sind. Daher sind sie den Kontingenzen des Lebens stärker ausgeliefert. Wir gehen davon aus, dass Welt- und Lebensdeutungen die soziale Lage und mit ihr verbundene Erfahrungen reflektieren und verarbeiten. Ein Ländervergleich erscheint uns sinnvoll, da in unterschiedlichen Kontexten Armut unterschiedliche Bedeutung gewinnt. Das heißt, arm zu sein, hat je nach kulturellem und gesellschaftlichen Kontext unterschiedliche Implikationen und Folgen für die davon Betroffenen.
Das qualitative Paradigma prägt das Forschungsdesign
Um dem nachzugehen, verfolgen wir im Projekt ein im qualitativen Paradigma begründetes Forschungsdesign. Das bedeutet: Es wird nicht deskriptiv oder hypothesenüberprüfend vorgegangen, sondern interpretativ und rekonstruktiv. In diesem Sinne werden Theorien und Typologien aus dem Datenmaterial entwickelt. Bei der Entwicklung des vergleichenden Designs und der Zusammenstellung des Samples greifen wir auf die Strategie des Theoretical Sampling, wie es in der Grounded-Theory-Methodologie begründet wurde, zurück. Die Zusammensetzung des Samples zielt dementsprechend nicht auf statistische, sondern auf theoretische Repräsentativität. Das heißt, die von uns behandelten Fälle werden nicht auf bestimmte Faktoren zugerechnet (z.B. Stadt-Land, konfessionelle Zusammensetzung, Regionen mit unterschiedlicher Arbeitslosenquote), vielmehr sollen variierende Kontextbedingungen bei der Auswahl der Fälle sicherstellen, dass vielfältige Lebensbedingungen erfasst werden und dadurch das zu konstruierende Typenfeld theoretisch gesättigt. Der Vergleichshorizont bestimmt sich folglich im angelegten Ländervergleich, aber auch innerhalb der Länder.
Zentral verankert: der Vergleich
Zur Sättigung und Kontrastierung, werden wir mehrere Feldaufenthalte in unseren Zielländern durchführen. So soll mithilfe des Vergleichs ein möglichst vielfältiges Spektrum von Armutslagen zur Analyse der Weltsichten und Bewältigungsstrategien in das Sample aufgenommen werden. Gleichzeitig geht es nicht darum, die Fälle anhand vorher bestimmter Variablen zu testen und so klare Kausalabhängigkeiten zu konstruieren. Vielmehr dient uns der Vergleich dazu, uns vor allem theoretisch inspirieren und „überraschen“ zu lassen. Er stellt ein heuristisches Mittel dar, mithilfe dessen neue theoretische Erkenntnisse ermöglicht werden sollen. Vermutungen über soziale Zusammenhänge können in diesem Sinne auch erst auf Basis der Dateninterpretation formuliert werden.
Standort
c/o KFG „Multiple Secularities“
Nikolaistraße 8-10
04109 Leipzig