Wir waren fleißig in diesem Sommer! Das ist auch der Grund, warum hier länger nichts Neues erschienen ist. Neben einigen Tagungen, auf denen wir erste Thesen zu unseren Projektergebnissen präsentiert haben, waren wir zweimal im Feld. Zunächst in den ersten beiden Aprilwochen in einer alten Bergbau- und Industriestadt in Südwales, die wir aus Gründen der Anonymisierung „C-Town“ getauft haben. Außerdem sind wir in den ersten beiden Juliwochen in Dublin gewesen. Nun, nachdem auch die Tagungssaison vorbei ist, machen wir uns daran, die vergangenen Ereignisse auch hier im Blog aufzuarbeiten. Genau das soll in der Reihe von Posts, die in den nächsten Tagen folgen, passieren. Seid gespannt!

C-Town und Umgebung

Die Hafenstadt sowie die umliegende Region, die wir im April bei wunderbarem Frühlingswetter besuchten, war historisch von Kohlebergbau und Schwerindustrie geprägt. Wenn man in die Berge fährt, die direkt hinter C-Town beginnen, bekommt man davon noch einen Eindruck. Entlang der gewundenen Straßen erstrecken sich lange Arbeitersiedlungen – meist um einen alten, mittlerweile stillgelegten Förderschacht herum. Die alten Zechen sind teilweise restauriert und dienen jetzt als Industriemuseen. Gleichwohl spielt die alte Industrie heute keine Rolle mehr in der Region. Übrig geblieben ist lediglich ein riesiges Stahlwerk am Rand von C-Town, das mit seinen riesigen Anlagen, Schloten und Abgaswolken das Strandpanorama dominiert. Direkt daneben ist ein Tiefseehafen angesiedelt, wo auch regelmäßig größere Schiffe anlegen. Neben dem von Industrie geprägten Teil der Küste wurde in den letzten Jahren eine Strandpromenade angelegt. Sie dient vor allem der Freizeitgestaltung der Einwohnerinnen von C-Town, die hier am Strand spazieren gehen, in den anliegenden Restaurants essen oder das lokale Kino besuchen können.

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Prägend ist außerdem der in den 1960ern errichtete Motorway, der sich quer durch die Stadt zieht und auf Stelzen gebaut ist. Dadurch wird die Stadt zwar durchaus vom Verkehr entlastet, allerdings auch von einem grauen Betonband durchschnitten, das fast überall zu sehen ist. Auch ist das Bewegen in der Stadt nun kaum noch möglich, ohne das Auto zu benutzen. Das wiederum verlängert Wege und Transferzeiten mitunter erheblich – wie wir feststellten, als wir dann doch einmal zu Fuß ins Stadtzentrum liefen und in kurzer Zeit am Ziel waren.

Das Stadtzentrum

Im Zentrum findet sich eine in die Jahre gekommenen Shoppingzeile mit ein paar Cafés sowie ein größeres Einkaufzentrum, in dem jedoch gut ein Drittel der Ladengeschäfte leer steht. Die Fußgängerzone von C-Town ist geprägt durch Pound-Stores und Charity-Shops, durch die Filiale einer Pub-Kette und kleine Bistros. Außerdem ist hier auch das JobCentre angesiedelt. Wenn man die Straße weiter hinunter geht, wirkt die Stadt frisch saniert. Den überall angebrachten Schildern kann man entnehmen, dass dafür wesentlich auf Gelder aus EU-Fonds zurückgegriffen wurde. So auch am sich anschließenden Bahnhof, wo der Vorplatz neu gestaltet wird.

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Außerdem fließt hier ein mittelgroßer Fluss ins Meer, der kaum im Stadtbild präsent ist, an dem aber noch einige wenige historische Gebäude wie eine alte Kirche mit einem Friedhof, aber auch der Parkplatz des großen Tesco-Supermarktes zu finden sind. Umrandet und eingebettet ist C-Town von mittelgebirgshohen Bergen, die von den Einheimischen „The Hills“ genannt werden. Sie sind als Hintergrund immer präsent und von Gras und Ginsterbüschen bewachsen. Wälder sieht man kaum.

Jugendliche Bedürftigkeit

Hier im Zentrum, in der sanierten Straße befindet sich auch einer der Anlaufpunkte, wo wir mit obdachlosen Jugendlichen in Kontakt kamen. Die Organisation, die wir dazu aufsuchten, hat sich zur Aufgabe gemacht, junge Leute, die „von der Bahn abgekommen sind“, wieder zu einer Wohnung zu verhelfen. Damit verbunden sind Beratungsangebote, mit denen den Jugendlichen über das Finden einer Behausung hinaus geholfen werden soll. Wie wir feststellten, betrifft das die Unterstützung bei alltäglichen Erledigungen, aber auch Hinweise darüber, wie man an einen Job kommt. Zudem dienen die Räumlichkeiten den Jugendlichen als Aufenthaltsort und Treffpunkt. Im Eingangsbereich ist ein kleiner offener Loungebereich eingerichtet, wo die Jugendlichen an drei PCs arbeiten, surfen, etc. können, was vom jugendlichen Klientel der Einrichtung rege genutzt wird. An der Wand, die der Eingangstür gegenüber liegt, klebt eine Art Wandtattoo mit den Begriffsgruppen:

  • Respect, Promote and Encourage
  • Include, Consult and Support
  • Empower, Listen and Learn

Damit sind die Maximen der in der Einrichtung geleisteten Sozialarbeit sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Klientinnen und Klienten unübersehbar und prominent platziert. Wie uns erklärt wird, ist das große Ziel der gemeinsamen Sozialarbeit, die Klientinnen und Klienten früher oder später an ein unabhängiges Leben („Independence“) heranzuführen.

Foodbanks in den „Mining Valleys“

Um unsere Perspektive zu erweitern und tiefer in die Geschichte der Bergbauregion und ihrer Menschen einzutauchen, besuchten wir außerdem zwei kleinere Ortschaften, die circa 45 Minuten außerhalb von C-Town in einem der früher vom Bergbau geprägten Täler liegen. Dort trafen wir in sogenannten „Foodbanks“ auf bedürftige Personen, mit denen wir aufschlussreiche Gespräche führen konnten. Angesiedelt waren diese Essensausgaben in zwei Kirchengebäuden, wobei eines nicht mehr als Kirche genutzt wurde. Träger der Foodbanks ist der Trussel Trust, ein christliche Charity-Organisation, die im gesamten Vereinigten Königreich Essensausgaben und Suppenküchen betreibt. Die Hilfe, die diese nationale Stiftung anbietet, soll auf besondere Notsituationen beschränkt sein und keine Routine werden.  Die Essenspenden werden daher nur gegen einen Voucher ausgegeben, in dem die Notsituation bescheinigt wird. Institutionen, die diese Gutscheine ausgeben, sind z.B. das JobCentre, aber auch Sozialarbeiter oder verschiedene andere lokal ansässige Einrichtungen. Einige Charity Shops verteilen die Gutscheine aber auch. Insgesamt verlassen sich die Freiwilligen in den Foodbanks darauf, dass die Einrichtungen die Lebenssituationen der Klienten angemessen beurteilen. Formal wird eine als „Missbrauch“ verstandene regelmäßige Nutzung der Foodbanks dadurch verhindert, dass man in sechs Monaten maximal dreimal für drei Tage Unterstützung beziehen kann.

In beiden besuchten Foodbanks stellten wir uns der jeweiligen Kontaktperson kurz vor und übergaben kleinere Spenden, die wir mitgebracht hatten. Danach mischten wir uns unter die Leute und tranken mit ihnen Tee. Schnell ergaben sich aus diesen Gesprächen meist Unterhaltungen über unsere Arbeit und nach kurzer Skepsis einige Einzelinterviews. Sowohl mit Personen, die die Foodbank in Anspruch nehmen, als auch mit Freiwilligen, die die Foodbank organisieren und vor Ort betreiben, konnten wir dabei sprechen. So erhielten wir einige Einblicke in die Lebensrealität von Bedürftigen, aber auch in die Denkweisen und Beweggründe der „Volunteers“ vor Ort.